1. Die
Wertschätzung von Lebensmitteln: Hier in der Ukraine wird nicht alles gleich
weggeschmissen, was nicht mehr aussieht wie auf den Kochbuchfotos. Selbst in
den großen Supermärkten wird nicht mehr ganz so schönes Obst und Gemüse einfach
billiger verkauft und man kann es immer noch gut zum Kochen verwenden.
2. Die
Osteuropäische Seele: Deutschland wird oft als Land der Dichter und Denker
bezeichnet. Das heißt, zwar etwas klischeehaft betrachtet, wir Deutschen als
Volksgrüppchen, handeln oft sehr rational, betrachten alles erst einmal von
einer kritischen Warte aus und sind oft nicht so impulsiv und von unseren
Gefühlen geleitet. Und um ehrlich zu sein, fehlt mir auch genau diese „Deutsche
Mentalität“ oft hier im Ausland.
Aber dafür sind wir Deutschen halt manchmal etwas verklemmt und
unspontan. Hier im Osten habe ich im Gegensatz dazu schon einige Male
Situationen erlebt, die ich wahrscheinlich in Deutschland so nie gesehen hätte.
Zum Beispiel fangen Schüler bei uns in der Schule manchmal einfach so an zu
singen oder irgendein Instrument zu spielen, ohne sich groß Gedanken zu machen,
ob das Ganze jetzt „aufführungsreif“ ist. Oder letztens in einer Einkaufsmall
wurde Live-Musik gespielt und auf einmal fingen gleich mehre Leute einfach so
an so zu tanzen, ohne groß darüber nachzudenken, ob sie sich vielleicht
blamieren könnten. Außerdem sind die Ukrainer sehr herzlich und gastfreundlich
und geben bei der Bewirtung von Gästen ihr Bestes.
3. Der Klang des
Russischen: Die russische Sprache ist eine Sprache der Seele, die sich manchmal
so richtig schön „schmettern“ lassen. Selbst in Alltagssituationen lässt sich
das Russische oft mit enorm viel Pathos sprechen. Bestes Beispiel: das in den
Marschrutkas (Minibusse - lokales
Haupttransportmittel in der Ukraine) regelmäßig zum Fahrer geschmetterte „Na
‘stanOhhhvka“, was übersetzt „An der Haltestelle“ heißt und den Fahrer
auffordert dort anzuhalten.
4. Pusata Chata:
Man mag von Restaurantketten halten was man möchte, aber Pusata Chata (was
soviel bedeutet wir „dickbäuchige Hütte“) ist einfach nur eine gute Erfindung.
Im Grunde ist Pusata Chata die ukrainische Antwort auf Fast-Food-Restaurants.
Auch hier bekommt man sein Essen sehr günstig und schnell, nur dass es sich bei
dem Essen um typisch ukrainische Gerichte handelt. In der „dickbäuchigen Hütte“
ist das Essen nicht nur billiger und leckerer als bei McDonald’s, Burger King
und Co., die es durchaus in großer Zahl hier gibt, sondern auch die Atmosphäre
und die Ausstattung ist wesentlich gemütlicher und einladender. Für jeden
Ukraine-Touristen ist Pusata Chata ein absolutes Muss.
5. Die
osteuropäische Gemütlichkeit: Sobald man zu Hause ist, schlüpft man sofort in
seine „Chiller-Klamotten“. Egal ob Besuch kommt, Gemütlichkeit hat Vorrang. Zu
Hause darf man Schlabber-Hose und sein bequemes Lieblings-Shirt tragen, und zwar vollkommen gesellschaftlich
legitimiert.
6. Das Taxi
fahren in der Ukraine: Wie vieles hier im Osten ist eine Fahrt mit dem Taxi
wesentlich günstiger im Vergleich zu Deutschland. Was aber besonders angenehm
ist, dass man einfach bei der Taxizentrale anrufen muss, dort angibt von wo aus
man wohin möchte und es wird einem sofort der Preis gesagt oder per Rückruf
mitgeteilt. So weiß man genau woran man ist.
7. Das Bezahlen
in der Marschrutka: Monatsticket? Zehnerkarte? Ach, so was gibt es hier alles
nicht im öffentlichen Nahverkehr. Damit es aber nicht ewig dauert, bis alle
einsteigenden Passagiere für die Fahrt bezahlt haben, ist es ganz üblich in den
Marschrutkas das Fahrgeld (25 Cent!!! in Kiev für eine Fahrt von beliebiger
Länge) einfach durchzureichen. Auch wer als einzelne Person einsteigt, sucht
sich in der Regel erst einmal einen Platz und lässt dann das Geld nach vorne
zum Fahrer durchgeben. Ich muss sagen, am Anfang hat mich das ganze auch etwas
verwundert, aber mittlerweile ist es zur alltäglichen Normalität geworden in
den Mini-Bussen Geld und Rückgeld hin- und herwandern zu lassen. Und man mag so
viele Witze über stehlende Osteuropäer machen, wie man möchte, aber bis jetzt
habe ich immer mein Wechselgeld als vollen Betrag zurückgereicht bekommen.
8. Der
osteuropäischer Wodka: Nicht umsonst kommt uns als einer der ersten Dinge
„Wodka“ in den Sinn, wenn wir an Russland oder den Osten denken. Denn
zweifelsfrei kommt der beste Wodka aus dem Osten. Was bei uns in Deutschland
eher wie Nagellackentferner riecht und bei purem Genuss in der Kehle brennt,
wird hier im Osten seinem Name als „Wässerchen“ viel eher gerecht. Außerdem
muss man hier für einen halben Liter guten Wodka gerade mal umgerechnet drei
Euro ausgeben. Das bedeutet natürlich nicht, dass man bei jeder Gelegenheit
Wodka trinkt.
9. Das
Eisfischen: Unter den Einwohnern von Dnipropetrovsk scheint es eine Vielzahl
von begeisterten Anglern zu geben. Nicht selten sieht man auf Brücken und am
Flussufer des Dnjeprs Angler stehen. An warmen Tagen ist das Flussufer sogar
geradezu gesäumt mit Anglern. Im Winter wurde es aber so kalt, dass doch gleich
der ganze Dnjepr zugefroren ist. Und der Dnjepr ist jetzt nicht irgendein
unbedeutendes Regionalgewässer, sondern immerhin der dritt längste Fluss in
Europa und bei uns hier in Dnipropetrovsk an den meisten Stellen wesentlich
breiter als der Rhein. Trotzdem wollte man wohl nicht auf das Angelvergnügen
verzichten, denn an gleich mehren Stellen wurden Löcher in die Dicke Eisdecke
gesägt und die Angelschnur hinab ins kalte Wasser gelassen. Das Ganze war
einfach so wunderbar klischeehaft, wenn man die Männer mit ihren typischen
russischen Fellmützen um ein Eisloch sitzen sah.
10. Der
osteuropäische Ehrgeiz: Sei es in der Schule, beim Sport oder auch beim
Erlernen eines Musikinstruments – in der Ukraine gibt es viel mehr Schüler, die
sehr ehrgeizig sind und schon von Kindesbein an fleißig üben und trainieren. In
der Regel werden die Kinder zwar von ihren Eltern dazu gepusht und das Training
und der Unterricht haben oft noch was von dem sowjetischen Drill, aber in der
Regel wird es auch von den Kindern selber gewollt. Alle sind sehr stolz darauf
und strengen sich sehr an. Denn sie wissen auch, wenn man hier nichts wird,
dann hat man im Grunde genommen nichts. So etwas wie Sozialhilfe gibt es nicht.
Auch wenn ich ein Verfechter unseres Sozialstaatssystems in Deutschland bin,
fehlt uns vielleicht manchmal der Sinn dafür unser Bestes zu geben.